Robin Lindner's profile

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Immer öfter blicke ich in die Welt und vermag nicht zu sagen, welche Rolle ich in dieser einnehmen könne. Behaglich drücke ich mich in den weichen Sitz und beobachte das Treiben jenseits der Fensterscheibe. Alles was ich sehe, ist dort, weil es einen Grund dazu hat. Eine Zeit und Raum überbrückende, unüberblickbar große Kette, gewebt aus Zusammenhängen, führte dazu, dass sich der Reisende heute in eine lumpige Cordjacke geworfen hat und nun nervös am Erfurter Bahnsteig an seiner Zigarillo zieht. Er steht auf Steinen, die in unendlich weitreichenden, weltumspannenden Wertschöpfungsketten und unter Mithilfe abertausender Menschen in einer viereckigen Form die Oberfläche des Bahnsteigs bilden. Die raue Oberfläche ringt seinen Schuhen ein paar Partikel Gummi ab, deren Weg ebenso lang gewesen sein dürfte.

Welche Fässer werden geöffnet, blickt man hinter die Oberfläche des Zigarillo-Rauchers? Welcher Weg trieb ihn in eine Abhängigkeit? Welche Einflüsse beschieden sein nervöses Auftreten? Welche Teile seiner Sozialisierung führten dazu, dass er in einer schäbigen Cordjacke steckt? Und welche Teile meiner dazu, dass ich das Kleidungsstück spontan als schäbig einstufe? Es ist ein großer Spaß, den Betrachter der Welt zu mimen. Durch die Welt zu spazieren und unbeteiligt interessiert das Spektakel zu betrachten, mal vergnügt, mal deprimiert. Hier erschüttert, dort gerührt. Die Rolle behagt, da sie zwar bewertet, aber auch akzeptiert und distanziert. Sie nimmt den Rucksack der Verantwortung von den Schultern, stellt ihn behutsam neben den weichen Sessel des Betrachtenden und reicht etwas Gebäck. Mit der Brille der Distanz auf der Nase lebt es sich einfacher.

Nicht mein Film, nicht mein Problem.


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